Tipps zur Durchführung von Mobilitätsübungen
Generell gilt beim Training von Menschen mit Demenz: Jede Minute der Aktivitätsförderung ist kostbar und sollte sich insbesondere an der Motivation des Menschen mit Demenz ausrichten.
Pflege ist stressig! Trotzdem sollten Sie vor Beginn einer Trainingseinheit versuchen, bei sich selbst Ruhe einkehren zu lassen. Wenn Sie strukturiert und ohne Hektik eine Übung erläutern und durchführen, überträgt sich diese Atmosphäre auf den Kurzzeitpflegegast.
Die Fähigkeit verbale Reize zu verarbeiten ist bei Menschen mit Demenz häufig schneller eingeschränkt, als bei nonverbalen Reizen. Auch bei stärker betroffenen Menschen mit Demenz können Bewegungen gut angebahnt werden, indem Arme und Beine in bestimmte Ausgangspositionen gebracht und Bewegungen mitgeführt werden. Gleiches gilt für das Spiegeln von Bewegungen. Wenn eine Übung direkt vor dem Gesichtsfeld eines Kurzzeitpflegegastes vorgemacht wird, ist es für ihn sehr viel leichter, diese korrekt nachzumachen. Die Sicherung kann entweder durch eine weitere Person geschehen oder durch eine spezielle Testanordnung (z. B. Stuhl an der Wand).
Bewegungen lassen sich mit Rhythmus und Musik bei Menschen mit Demenz einfacher anbahnen und laufen häufig flüssiger ab. Jedoch sollte die Musik nie zu laut sein oder sich mit weiteren Nebengeräuschen mischen, da dies überfordernd sein könnte. Bestimmte Geräte oder Bewegungsmuster haben einen starken Aufforderungscharakter, um Bewegungen zu initialisieren. Hierzu gehören Bälle, Tücher oder Luftballons. Des Weiteren sind bestimmte Bewegungsabläufe noch relativ lange ausführbar und automatisiert. Dazu gehören Bälle werfen (aber nicht unbedingt Fangen), Schieben oder auch Schwingen.
Bewegung ist wichtig und hilfreich zur Erhaltung von Alltagsfähigkeiten. Die Literatur sagt zu diesem Thema: Welche Arten von Bewegungen durchgeführt werden, ist nicht so wichtig wie der Aspekt, dass überhaupt Bewegungen durchgeführt werden!
Das bedeutet für die Trainingssituation, dass Übungen, welche von dem Kurzzeitpflegegast anders durchgeführt werden als die ursprüngliche Übung, durchaus ähnlich hilfreich und fördernd sein können. Lassen Sie, solange keine erhöhte (Sturz-) Gefahr durch die Abweichung entsteht, den Kurzzeitpflegegast agieren und sich ausprobieren. Die Modifikation kann durchaus bereichernd sein und dann in sein persönliches Bewegungsprogramm mit aufgenommen werden. Sie können diese ‚neue‘ Übung auch bei anderen Kurzzeitpflegegästen ausprobieren und schauen, wie sie angenommen wird. Der Übungskatalog ist so aufgebaut, dass Übungen ergänzt oder modifiziert werden können, solange die vorgesehenen Muskelgruppen trainiert werden. Lassen Sie sich also von der Kreativität der Kurzzeitpflegegäste inspirieren. Sollte eine Übung einem Kurzzeitpflegegast besonders viel Freude bereiten, kann dessen Übungszeit über den ursprünglich geplanten Zeitraum ausgedehnt werden. Andere Trainingsbereiche sollten dann zeitlich am nächsten Trainingstag nachgeholt werden.
Beim Training von Menschen mit Demenz ist die Herausforderung, die Übungen möglichst an den kognitiven Status und nahe an der Leistungsgrenze auszurichten, Misserfolge aber nach Möglichkeit zu vermeiden.
Wenn davon auszugehen ist, dass eine Übung besonders herausfordernd sein könnte, kann dies mit einem: „Jetzt wird es schwierig.“ angekündigt werden. Diese Aussage kann die Motivation des Menschen mit Demenz fördern, bzw. ihm seine Ängste nehmen. Warum? Wenn die nächste Übung ‚schwer‘ wird, ist es nicht mehr schlimm, wenn sie nicht geschafft wird…
Ein optimaler Trainingsreiz fordert den Menschen mit Demenz bis an seine persönliche Leistungsgrenze, überfordert ihn jedoch nicht. Fallen Übungen zu leicht aus, kann es durch eine Unterforderung zu Langeweile und damit einhergehender Demotivation kommen. Daher sollte die Intensität während des Programmverlaufs gesteigert werden. Durch den kurzen Aufenthalt in der Kurzzeitpflege sollten diese Steigerungen jedoch möglichst rasch erfolgen, um einen optimalen und intensiven Trainingsreiz setzen zu können.
Anzeichen für eine Überlastung sind eine stark gerötete Gesichtshaut oder auch fahle Haut, rasselnder Atem sowie Schmerzen. Eine leichte Errötung und/oder leichtes Schwitzen zeigen meist nur eine gesteigerte Durchblutung an und müssen keine Indikatoren für eine Überlastung sein. Natürlich sollten Sie in regelmäßigen Abständen den Kurzzeitpflegegast fragen, wie er sich fühlt. Bei Unsicherheiten koppeln Sie Ihre Beobachtungen mit einer Pflegefachkraft rück.
Erfolgt eine ablehnende Haltung gegenüber einer Übungseinheit, muss dies nicht bedeuten, dass der Kurzzeitpflegegast grundsätzlich abwehrend auf bestimmte Übungen reagiert. Natürlich sollten Sie Ablehnungsreaktionen ernst nehmen, diese sind jedoch häufig Teil des Syndroms Demenz.
Des Weiteren ist es immer tagesformabhängig, ob ein Mensch mit Demenz die Lust oder die Fähigkeiten besitzt, eine Übung durchzuführen. Auch hierauf sollten Sie eingehen und seine Lebenswelt anerkennen, um Unsicherheiten und Versagensängsten entgegenzuwirken. So können z. B. eine Pause und ein weiterer Versuch kurze Zeit später erfolgreich sein. Wenn etwas nicht funktioniert, dann sollte das akzeptiert werden. In jedem Fall sollen Sie solche Reaktionen nicht persönlich nehmen. Bei Bedarf kann die Übung übersprungen und ein neuer Anlauf am darauffolgenden Tag unternommen werden.
In jedem Fall sollten reale sowie gefühlte Misserfolge der Menschen mit Demenz in Trainingssituationen vermieden werden. Die hiermit verbundenen Gefühle werden meist deutlich schlechter gefiltert und kontrolliert, als bei gesunden Menschen. Die Motivation kann erheblich darunter leiden.
Ein Baustein um Misserfolge zu vermeiden, besteht für die Trainingsperson darin, sich selbst in potentielle Misserfolge bei Übungszielen mit einzubeziehen. Anstatt dem Menschen mit Demenz, nachdem ein Übungsziel verfehlt wurde, zu sagen: „Dann müssen wir etwas einfacheres probieren“, könnten Sie anmerken: „Das habe ich schlecht erklärt. Machen wir es einfach noch mal.“ Dadurch beziehen Sie sich selbst als gesunde Person, die ebenfalls mal Fehler macht, in die Trainingssituation mit ein. Hierdurch stellt der Mensch mit Demenz fest, dass auch Sie nicht fehlerfrei sind. Die Selbstsicherheit und eine höhere Motivation zur Wiederholung der Übung ausbilden.